Anspruch des Geschäftsführers auf Aufwendungsersatz bei berechtigter GoA, §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB

  1. Grundtatbestand
    1. Geschäftsbesorgung
    2. Fremdheit des Geschäfts
    3. Fremdgeschäftsführungswille
    4. Ohne Auftrag
  2. Aufwendungsersatz bei berechtigter GoA, §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
    1. Geschäftsführung entspricht Interesse und Willen des Geschäftsherrn
  3. Rechtsfolge
    1. Anspruch auf Aufwendungsersatz
  4. Sonderprobleme

Liegen die Voraussetzungen des Grundtatbestandes einer GoA vor, so kommen bei den Ansprüchen des Geschäftsherrn und des Geschäftsführers ggf. noch weitere Tatbestandsmerkmale voraus.1

I. Grundtatbestand

Siehe ausführlichen Beitrag dazu hier.

II. Aufwendungsersatz bei berechtigter GoA, §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB

Merkmal der berechtigten GoA gem. § 683 S. 1 BGB ist, dass die Geschäftsführung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entsprechen, oder ein Fall des § 683 S. 2 BGB (i.V.m. § 679 BGB) vorliegt.2

§ 683 S. 1 BGB stellt auf die Übernahme der Geschäftsführung ab und nicht auf die Aus- bzw. Durchführung.3

Die Übernahme der Geschäftsführung ist der Beginn der Ausführung. Dies stellt den maßgeblichen Zeitpunkt zur Feststellung der Interessen- und Willensmäßigkeit dar.4

Man könnte von einem objektiven Element (Interesse) und subjektiven Element (Wille) ausgehen.

1. Interesse und Wille des Geschäftsherrn
a. Interesse des Geschäftsherrn

Geschäftsführung muss aus objektiver Perspektive nützlich und von Vorteil sein für den Geschäftsherrn.5

b. Willen des Geschäftsherrn

Es wird zwischen dem wirklichen und dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn differenziert, §§ 683 S. 1, 678 BGB.

aa. Wirklicher Wille des Geschäftsherrn

Der wirkliche Wille ist der tatsächlich vorhandene Wille des Geschäftsherrn.Dieser kann ausdrücklich oder konkludent geäußert werden.7

Beispielsfall: Vermeintliche Rettung

A ist im Schwimmbad und schreit scherzweise um Hilfe. Der B, der das hört und sieht, eilt dem A zur Hilfe und zereist sich dabei seine Hose. Er verlangt von A Ersatz für die kaputte Hose.

Problematisch ist hier, dass der subjektive Wille (keine Rettung, war ja nur ein Scherz) mit dem geäußerten Willen (Hilferuf) divergiert. Abgestellt wird hier aber auf den geäußerten Wille, da ein innerer Vorbehalt auch sonst unbeachtlich ist (vgl. § 116 BGB).8

bb. Mutmaßlicher Wille des Geschäftsherrn

Liegt ein wirklicher Wille nicht vor, darf erst dann auf den mutmaßlichen Willen abgestellt werden.

Um den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn feststellen zu können, muss gefragt werden, ob der Geschäftsherr die Übernahme bei objektiver Berücksichtigung aller Umstände gewollt hätte.10

(P) Interesse stimmt nicht mit wirklichem Willen überein (beide müssen kumulativ vorliegen, § 638 S. 1 BGB) und vice versa.

Geschäftsführung entspricht Interesse, aber nicht dem Willen des Geschäftsherrn: Anspruch nach § 683 S. 1 BGB (-): Wortlaut!11

Geschäftsführung entspricht nicht dem Interesse, aber dem Willen des Geschäftsherrn: str! Nach der h.M. genießt der Wille Vorrang entgegen dem Wortlaut:12

  • Privatautonomie! Einschränkung lediglich bei § 679 BGB
  • Aus der Ratio des § 683 S. 1 BGB: Die Vorschrift soll den Geschäftsherrn vor Aufdrängungen schützen. Entspricht die Geschäftsführung aber nun dem Willen des Geschäftsherrn, so liegt darin gerade keine ungewollte Intervention des Geschäftsführers vor. Mit anderen Worten, der Geschäftsherr muss durch § 683 S. 1 BGB nicht geschützt werden! § 683 S. 1 BGB ist demnach teleologisch zu reduzieren. Conclusio: Eine Geschäftsführung, die zwar nicht den Interessen des Geschäftsherrn, aber dem Willen entsprechen, ist dennoch eine berechtigte GoA!

Ein guter Glaube an eine (vermeintliche) Berechtigung begründet keine berechtigte GoA.13

2. Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn

Gem. § 679 BGB ist ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich, wenn a) eine Pflicht des Geschäftsherrn besteht, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht (nur familienrechtliche!14) besteht, und b) die Geschäftsbesorgung dieser Pflicht nicht widerspricht.15 

  1. Pflicht
  2. Öffentlich-rechtliches Interesse
  3. Gesetzliche Unterhaltspflicht
  4. Nicht rechtzeitige Pflichterfüllung
3. Genehmigung der Geschäftsführung durch den Geschäftsherrn

Der Geschäftsherr kann der Geschäftsbesorgung nachträglich (§§ 182, 184 BGB) zustimmen, § 684 S. 2. § 684 S. 2 a.E. bestimmt, dass der Geschäftsherr bei Genehmigung wie bei der berechtigten GoA zum Aufwendungsersatz gem. § 684 S. 2 BGB i.V.m. §§ 683 S. 1, 670 BGB verpflichtet ist.16

III. Rechtsfolge – Anspruch auf Aufwendungsersatz

Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer.17

Erstattungsfähige Aufwendungen sind nur solche, die er nach dem Wortlaut des § 670 BGB „für erforderlich halten“ durfte.18

IV. Sonderprobleme
1. Risikotypische Begleitschäden

Risikotypische Begleitschäden sind solche, die mit der Art der Tätigkeit oder den Umständen, unter denen sie auszuführen sind, erkennbar und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verbunden sind.19 -> Grundsätze der Herausforderung!

Beispiel: Die Hose des A wird zerrissen, als er den B aus dem Pool zieht und dabei hängen bleibt.

Die Rechtsprechung ordnet dogmatisch die risikotypischen Begleitschäden den freiwilligen Vermögensopfern zu.20 Die Literatur verweist auf § 110 Abs. 1 Alt. 1 HGB.21

2. Aufwendungsersatz für geleistete Arbeitskraft?

Leistet beispielsweise ein Arzt Erste-Hilfe-Maßnahmen, so erledigt er damit eine berufliche oder gewerbliche Dienstleistung. Diese Leistung ist ersatzfähig, da es unbillig wäre, eine sonst entgeltpflichtige Dienstleistung ersatzlos stehen zu lassen.22 Der Anspruch entsteht gem. § 1835 Abs. 3 BGB analog.23

3. Aufwendungsersatz beim auch-fremden Geschäft (Handeln im Doppelinteresse)?

In diesem Fall sind die Aufwendungen nur anteilig zu erstatten.24

4. Anspruchskürzung gem. § 254 BGB analog

Ist der Geschäftsführer mitverantwortlich, findet § 254 BGB entsprechende Anwendung bei der Höhe des Anspruchs.25

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1 – WandtGesetzliche Schuldverhältnisse – Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, 6. Auflage, 2014, §5, Rn. 1.
2 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 7.
3 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 8; vgl. § 678 BGB, diese regelt das sog. Übernahmeverschulden.
4 – Supra.
5 – Supra (Fn. 3).
6 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 12.
7 – Supra.
8 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 13.
9 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 14.
10 – Supra.
11 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 17.
12 – Supra.
13 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 19.
14 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 25.
15 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 21.
16 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 29.
17 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 32.
18 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 34.
19 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 38.
20 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 41.
21 – Supra.
22 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 42.
23 – Supra.
24 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 44.
25 – Wandt, (Fn. 1), §5, Rn. 46.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.