Gestörte Gesamtschuld

  1. Vorliegen einer Gesamtschuld gem. § 421 BGB
    1. Kraft Gesetz
  2. Haftungsprivilegierung eines Schuldners, z.B.
    1. §§ 690, 277 BGB (Unentgeltliche Verwahrung)
    2. §§ 708, 277 BGB (Haftung eines Gesellschafters im Innenverhältnis)
    3. §§ 1359, 277 BGB (Haftung innerhalb des ehelichen Verhältnisses)
    4. §§ 1664 Abs. 1, 277 BGB (Haftung der Eltern bei der Ausübung der elterlichen Sorge ggü. dem Kind)
    5. §§ 2131, 277 BGB (Haftung des Vorerben in Ansehung der Verwaltung)
    6. § 104 Abs. 1 SGB VII0
    7. § 105 Abs. 1 SGB VII
    8. § 106 Abs. 3 SGB VII
    9. § 86 Abs. 3 VVG
  3. Weitere gesetzlich geregelte Haftungsbeschränkungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit:
    1. § 300 BGB (Schuldner bei Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB)
    2. § 521 BGB (Schenker)
    3. § 599 BGB (Verleiher)
    4. § 680 BGB (Geschäftsführer ohne Auftrag bei Gefahrenabwehr)
    5. § 968 BGB (Finder)
  4. Lösungsansätze
    1. Zulasten des nicht privilegierten Schuldners
    2. Zulasten des privilegierten Schuldners
    3. Zulasten des Gläubigers
      1. Regresszirkel
      2. Direkte Kürzung des Anspruchs


I.1. Vorliegen einer Gesamtschuld von Gesetzes wegen
  1. § 613a Abs. 2 S. 1 BGB (Betriebsübergang)
  2. § 769 BGB (Mitbürgschaft)
  3. § 840 BGB (Haftung mehrerer aus Delikt)
  4. § 2058 BGB (Miterben)
  5. § 128 HGB (ggf. analog), (persönliche Haftung der oHG- bzw. GbR-Gesellschafter)
  6. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB (persönliche Haftung der Komplementäre)
III.1. Zulasten des nicht privilegierten Schuldners (BGH)

Der Gläubiger kann gegenüber dem nicht privilegierten Schuldner seinen Anspruch in voller Höhe geltend machen. Der privilegierte Schuldner haftet gegenüber dem Gläubiger nicht, sodass gar kein Gesamtschuldverhältnis entsteht und der nicht privilegierte Schuldner dann auch nicht ihm gegenüber einen Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 oder 2 BGB hat.1

III.2. Zulasten des privilegierten Schuldners

Auch hier hat der Gläubiger einen Anspruch in voller Höhe gegen den nicht privilegierten Schuldner. Allerdings wird aus Billigkeitsgründen dem nicht privilegierten Schuldner ein Ausgleichsanspruch gegen den privilegierten Schuldner gewährt gem. § 426 Abs. 1 BGB analog. Dazu wird das Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses fingiert.2

III.3. Zulasten des Gläubigers
III.3.a. Regresszirkel

Bei der zweiten Lösung spricht dagegen, dass dadurch die Haftungsprivilegierung des privilegierten Schuldners den Bach herunter gehen würde.3 Um dies zu verhindern, gewährt man dem privilegierten Schuldner dann einen Rückgriffsanspruch gegen den Gläubiger. Es findet somit ein Regresszirkel statt, bei dem der Gläubiger den einen Schuldner in Anspruch nimmt, dieser dann mittels fingiertem Gesamtschuldnerverhältnis den anderen Schuldner (privilegierter) und schließlich dieser wegen seiner Privilegierung dann wiederum beim Gläubiger „zurückgreifen“ kann.4 Beachte, dass auch hier der Gläubiger zunächst einen Anspruch in voller Höhe gegen den nicht privilegierten Schuldner hat.

III.3.b. Direkte Kürzung des Anspruchs (Lit.)

Schließlich kann das Ziel des Regresszirkels auch dadurch erreicht werden, indem der Gläubiger direkt von Anfang an einen gekürzten Anspruch (um den Anteil des privilegierten Schuldners) gegen den nicht privilegierten Schuldner hat.5

Grundsätzlich erfolgt der Rückgriff bei einer echten Gesamtschuld (mehrere Schuldner haften gleich) vorrangig über § 426 Abs. 1 BGB im Wege eines originären Ausgleichsanspruchs und gem. § 426 Abs. 2 BGB im Wege einer bestärkten Legalzession!6


0 – Ein Verweis auf die Vorschriften des SGB VII befindet sich im Schönfelder bei § 618 BGB.
1 – LooscheldersSchuldrecht Allgemeiner Teil, 14. Auflage 2016, § 54, Rn. 1292.
2 – Looschelders, (Fn. 1), § 54, Rn. 1293.
3 – Supra.
4 – Supra (Fn. 2).
5 – Supra (Fn. 2).
6 – WandtGesetzliche Schuldverhältnisse – Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, 6. Auflage, 2014, §8, Rn. 11.

 

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.