Schema: Festnahmerecht, § 127 StPO

  1. Festnahmesituation
    1. Auf frischer Tat betroffen
    2. Auf frischer Tat verfolgt
  2. Festnahmegrund
    1. Fluchtverdacht
    2. Sofortige Identitätsfeststellung nicht möglich
  3. Festnahmehandlung
  4. Subjektives Rechtfertigungselement
    1. Kenntnis der Festnahmesituation
    2. Absicht, den Festgenommenen der Strafverfolgung zu übergeben

  1. Festnahmesituation
    1. Auf frischer Tat betroffen oder
      • Auf frischer Tat betroffen ist, wenn ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang besteht, d.h. wenn der Täter entweder am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe ergriffen wird.1

    2. Auf frischer Tat verfolgt
      • Auf frischer Tat verfolgt ist ein Täter dann, wenn er sich zwar vom Tatort entfernt hat, aber konkrete Anhaltspunkte auf seine Täterschaft hinweisen und zum Zwecke der Festnahme die Verfolgung aufgenommen wird.2

      • Zum Zwecke der Festnahme bedeutet, der Festnehmende muss die Absicht haben, den Täter der Strafverfolgung zuzuführen.3a
  2. Festnahmegrund
    1. Fluchtverdacht
      • Für den Fluchtverdacht genügt es, dass nach den Umständen und der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme besteht, dass der Täter sich seiner Verantwortung durch Fliehen entzieht, wenn er nicht unmittelbar festgenommen wird.3

    2. Sofortige Identitätsfeststellung nicht möglich
      • Eine sofortige Identitätsfeststellung ist nicht möglich, wenn der Täter verweigert seine Angaben zur Person herauszugeben oder sich nicht ausweisen kann.4

  3. Festnahmehandlung
  4. Subjektives Rechtfertigungselement
    1. Kenntnis der Festnahmesituation
    2. Absicht, den Festgenommenen der Strafverfolgung zu übergeben
I. Festnahmesitutation

Umstritten ist, ob für das Jedermann Festnahmerecht gem. § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO eine tatsächlich begangene Straftat gem. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegen muss oder ob nach § 127 Abs. 2 StPO, welches das Festnahmerecht für die Staatsanwaltschaft und Ermittler normiert, dringender Tatverdacht gem. § 112 Abs. 1 StPO ausreicht.

1) Die Rechtsprechung hält einen dringenden Tatverdacht für nicht notwendig. Begründet wird dies damit, dass sie einerseits den Täter das Risiko des Irrtums nicht auferlegen möchte und andererseits, da sie befürchtet, dass niemand freiwillig einen vermeintlichen oder tatsächlichen Straftäter festnehmen würde, wenn unter Umständen damit gerechnet werden müsse, dass die festnehmende Person sich selbst strafbar machen würde.5

2) Dagegen begründet die Literatur einerseits, dass Zivilpersonen keiner disziplinarischen Verantwortung unterliegen wie ein Amtsträger und daher nicht solche weitreichenden Befugnisse haben sollten. Andererseits wäre der zweite Absatz für Staatsanwaltschaft und Ermittler obsolet, wenn schon nach dem ersten Absatz ein dringender Tatverdacht ausreichen würde.6

Erlaubte Maßnahmen

Eingriffe in die persönliche Freiheit sind durch § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO gerechtfertigt. Ebenso nicht lebensbedrohliche Maßnahmen, wie z.B. die Wegnahme des Personalausweises oder Zündschlüssel des Kraftfahrzeuges.7 Unter Umständen darf auch Gewalt angewendet werden.8 Denn wer sich einer rechtmäßigen Festnahme widersetzt oder mit Gewalt eine Festnahme verhindern will, der muss zur Überwindung seines rechtswidrigem Widerstandes Eingriffe auf seine körperliche Unversehrtheit erwarten und hinnehmen.9

Der Gebrauch von Schusswaffen ist nur in Form von Warnschüssen erlaubt aufgrund der besonderen Gefährlichkeit solcher Waffen.10 Dies gilt auch selbst bei schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen.11


1 – Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 59. Auflage 2015, § 127, Rn. 5.
2 – Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 1), § 127, Rn. 6.
3a – Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 1), § 127, Rn. 8.
3 – Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 1), § 127, Rn. 10.
4 – Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 1), § 127, Rn. 11.
5 – BGH NJW 1981, 745; OLG Zweibrücken NJW 1981, 2016.
6 – Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 46. Auflage 2016, § 12, Rn. 601.
7 – OLG Saarbrücken NJW 59, 1190, (1191).
8 – Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 1), § 127, Rn. 14.
9 – OLG Hamm NJW 72, 1826Sickor, JuS 12, 1074.
10 – Wessels/Beulke/Satzger, (Fn. 6), § 12, Rn. 603; Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 1), § 127, Rn. 15.
11 – Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band 1, 4. Auflage 2006, § 17, Rn. 28.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.