Vollstreckungsverfahren (gestreckt + gekürzt, Bund)
A. Ermächtigungsgrundlage
Z.B. § 12 VwVG i.V.m. mit den Vorschriften des UZwG (bei Vollstreckung durch die Bundespolizei, § 1 BPolG, Sartorius Nr. 200).
B. Formelle Rechtmäßigkeit
- Zuständigkeit, § 7 VwVG[1]
- Verfahren
- Wenn VA (Androhung, Festsetzung), dann Verfahrensregelungen des VwVfG beachten. Bzgl. der Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG abgesehen werden.
- Form
- Schriftformerfordernis bei Androhung (§ 13 Abs. 1 S. 1 VwVG), Ausnahme bei Sofortvollzug)
C. Materielle Rechtmäßigkeit
I. Gestrecktes Verfahren (gekürztes Verfahren bzw. Sofortvollzug unten)
- Vollstreckungsvoraussetzungen
- Grund-VA, § 6 Abs. 1 VwVG[3]
- Vollstreckbarkeit des Grund-VA, § 6 Abs. 1 VwVG[4] (Eselsbrücke: RUS)
- (aa) Rechtsmittel entfalten keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO
- (bb) Unanfechtbar
- (cc) Sofort vollziehbar, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO
- Vollstreckungsverfahren
- Keine Vollstreckungshindernisse
- Rechtliche Unmöglichkeit
- Nachträgliche materielle Einwendungen
- Rechtsfolge
- Ermessen
1. Vollstreckungsvoraussetzungen
a. Grund-VA, § 6 Abs. 1 VwVG[12]
- Gerichtet auf: Handlung, Duldung, Unterlassung
2. Vollstreckungsverfahren
(aa) Ersatzvornahme, § 10 VwVG[14] (Legaldefinition: vertretbare Handlung)
Wird diese selbst durchgesetzt, dann sog. Selbstvornahme. Ansonsten Fremdvornahme. Bundesrechtlich handelt es sich bei der Selbstvornahme um unmittelbaren Zwang gem. § 12 VwVG.
(bb) Zwangsgeld, § 11 VwVG[15]
Sinn und Zweck liegt darin, den Widerstandswillen des Betroffenen zu beugen. Bei unvertretbaren Handlungen angewendet, also bei solchen, die nur von dem Vollstreckungsschuldner selbst vorgenommen werden können. Vgl. § 11 Abs. 2 VwVG bzgl. Duldungen und Unterlassungen. Sofern die Ersatzvornahme untunlich ist, kann auch da Zwangsgeld verhängt werden, § 11 Abs. 1 S. 2 VwVG.
(cc) Unmittelbarer Zwang, § 12 VwVG[16]
Ultima ratio: Besondere Voraussetzungen liegen vor bei Gewahrsam von Personen und dem Schusswaffengebrauch, vgl. §§ 8 ff. UZwG.
Beispiel: Das Aufbrechen einer Haustür mit einem Rammbock stellt unmittelbaren Zwang dar, da dadurch ein Schaden entsteht, der dem Betroffenen nicht entstanden wäre. Gegenbeispiel: Öffnen der Tür mit Hilfe eines Schlüsseldienstes (Gebot: Tür öffnen).
- schriftlich zusammen mit Grund-VA[18] oder als selbstständiger Bescheid
- Vollstreckbarkeit muss zum Zeitpunkt, zu dem die Vollstreckung angedroht wird, vorliegen (e.A.).
- Kann gemeinsam mit Grund-VA erteilt werden, § 13 Abs. 2 S. 1 VwVG
- Bei Sofortvollzug „soll“ sie mit dem Grund-VA erteilt werden, § 13 Abs. 2 S. 2 VwVG
Bei der Androhung muss ein bestimmtes Zwangsmittel angegeben werden. Außerdem muss sie gegenüber dem Betroffenen ergehen. Die Androhung ist ein höchstpersönlicher VA und muss trotz Übergang des Grund-VA, z.B. an einen Erben (§ 1922 BGB), erneut erteilt werden.[19] Beim Sofortvollzug ist eine Androhung nicht erforderlich, § 13 Abs. 1 S. 1 VwZG i.V.m. § 6 Abs. 2 VwZG.
Die Festsetzung soll als allerletztes Warnsignal für den Betroffenen gelten, damit dieser seiner Verpflichtung doch noch nachgeht.[22]
Bundesrechtlich ist die Festsetzung in § 14 VwVG geregelt. Landesrechtlich finden sich Regelungen in Berlin[23] und in Nordrhein-Westfalen[24]. Bei den anderen Ländern finden sich Regelungen zur Festsetzung nur beim Zwangsgeld.
d) Ordnungsgemäße Anwendung, § 15 VwVG[25]
Die Anwendung der angedrohten Zwangsmittel muss verhältnismäßig sein gem. § 9 Abs. 2 VwVG[26]. Zusätzlich darf das Zwangsmittel nicht der Festsetzung bzw. Androhung widersprechen oder überschreiten.
Ist das Zwangsgeld nicht uneinbringlich beim Betroffenen, kann die Vollzugsbehörde nach Anhörung beim Verwaltungsgericht Ersatzzwangshaft beantragen gem. § 16 Abs. 1 VwVG.
3. Keine Vollstreckungshindernisse
Nicht abschließend, sondern beispielhaft siehe Art. 22 BayVwZVG und § 65 Abs. 3 VwVG NRW für Vollstreckungshindernisse.
a) Rechtliche Unmöglichkeit
Beispiel: Herausgabe einer Sache (sachbezogene Verfügung) unmöglich, da der Betroffene sie bereits wirksam an einen Dritten übereignet hat.
Die Fälle, die eine Mitberechtigung eines Dritten befassen, beispielsweise einen berechtigten Mieter, sind behutsam zu prüfen. Denn ergeht eine Beseitigungsverfügung nur gegenüber dem Eigentümer ohne einer Duldungsverfügung gegenüber dem Mieter, so stellt dies eine Vollstreckungshindernis dar. Zu beachten ist außerdem, dass die Beseitigungsverfügung nicht rechtswidrig ist, sondern lediglich durch die fehlende Duldungsverfügung ein Vollstreckungshindernis vorliegt. Eine Androhung ist allerdings ohne Duldungsverfügung unrechtmäßig.
Achte hierbei auf den Zeitpunkt der Beseitigungsverfügung. Erfolgt sie noch bevor ein Dritter Berechtigter wird, so ist demnach diese Person zur Duldung verpflichtet.[27] Brandenburg hat dies u.a. gesetzlich geregelt in § 32 Abs. 1 S. 2 VwVGBbg: „Der Vollstreckungsschuldner sowie Personen, die Mitgewahrsam an den Räumen und beweglichen Sachen des Vollstreckungsschuldners haben, sind zur Duldung der Ersatzvornahme verpflichtet.“.
b) Nachträgliche materielle Einwendungen
Materielle Einwendungen, die in Betracht kommen sind beispielsweise Erfüllung, Aufrechnung oder Erledigung. Außerdem ist der Vollzug einzustellen, sobald der Zweck erreicht wurde gem. § 15 Abs. 3 VwVG.
Der Zweck gilt auch als erreicht, wenn dieser nicht mehr erreicht werden kann.
4. Rechtsfolge
- Entschließungsermessen
- Auswahlermessen
- (aa) Mittel
- (bb) Adressat
- Anwendungsbereich
- Vollstreckungsvoraussetzungen
- Drohende (also gegenwärtige) Gefahr
- Behörde muss innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handeln
- Notwendigkeit des Sofortvollzuges
- Vollstreckungsverfahren
- Keine Vollstreckungshindernisse
- Rechtliche Unmöglichkeit
- Nachträgliche materielle Einwendungen
- Rechtsfolge
- Ermessen
1. Anwendungsbereich
- Grund-VA fehlt,
- Grund-VA zwar vorhanden, aber nicht vollstreckbar ist,[37]
- Androhung oder Festsetzung im gestreckten Verfahren fehlen bzw. rechtswidrig sind. Quasi es im gestreckten Vollstreckungsverfahren an irgendeiner Stelle scheitert.
2. Vollstreckungsvoraussetzungen
a. Drohende (also gegenwärtige) Gefahr
b. Behörde muss innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handeln
Hier erfolgt die Prüfung eines hypothetisches Grund-VA, § 6 Abs. 2 VwVG.[38]
c, Notwendigkeit des Sofortvollzuges
Aufgrund der Eilbedürftigkeit muss der Sofortvollzug zur Durchsetzung erforderlich sein.
3. Vollstreckungsverfahren
a. Zwangsmittel
Es wird nach oben zu den Ausführungen im gestreckten Verfahren verwiesen.
b. Androhung
Entbehrlich gem. § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG.[39]
c. Festsetzung
Entfällt gem. § 14 S. 2 VwVG.[40]
d. Ordnungsgemäße Anwendung, § 15 VwVG[41]
Es wird nach oben zu den Ausführungen im gestreckten Verfahren verwiesen.
4. Keine Vollstreckungshindernisse
Es wird nach oben zu den Ausführungen im gestreckten Verfahren verwiesen.
5. Rechtsfolge
- Entschließungsermessen
- Auswahlermessen
- (aa) Mittel
- (bb) Adressat
[1] § 56 Abs. 1 VwVG NRW; Hippel/Rehborn Nr. 73.
[2] § 47 Abs. 1 PolG NRW.
[3] § 55 Abs. 1 VwVG NRW.
[4] § 55 Abs. 1 VwVG NRW.
[5] § 57 Abs. 1 VwVG NRW.
[6] § 59 VwVG NRW.
[7] § 60 VwVG NRW.
[8] § 62 VwVG NRW.
[9] § 63 VwVG NRW.
[10] § 64 VwVG NRW.
[11] § 65 VwVG NRW.
[12] § 55 Abs. 1 VwVG NRW.
[13] § 57 Abs. 1 VwVG NRW.
[14] § 59 VwVG NRW.
[15] § 60 VwVG NRW.
[16] § 62 VwVG NRW.
[17] § 63 VwVG NRW.
[18] Ausnahme beim Schusswaffengebrauch: § 13 Abs. 1 S. 1 UZwG: Als Androhung gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.
[19] BVerwG, Urt. v. 10.01.2012 – 7 C 6, 11.
[20] § 112 S. 1 JustG NRW.
[21] § 64 VwVG.
[22] Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Auflage 2012, 11. Kapitel, Rn. 16.
[23] § 8 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 14 VwVG.
[24] § 64 VwVG NRW.
[25] § 65 VwVG NRW.
[26] § 58 Abs. 1 VwVG NRW.
[27] Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. V. 06.05.2011 – 1 ME 14/11.
[28] So in § 60 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 VwVG NRW; Art. 37 Abs. 4 S. 2 BayVwZVG.
[29] In manchen Ländern gibt es zusätzlich die sog. unmittelbare Ausführung (alle außer Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein); vgl. § 19 BPolG. Nach h.M. handelt es sich dabei nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme, da hier kein entgegenstehender Wille des Betroffenen gebeugt wird. Begründet wird dies damit, dass hier kein vorheriger Verwaltungsakt erlassen wird. Daher handelt es sich hierbei (unmittelbare Ausführung) um Gefahrenabwehr.
[30] § 57 Abs. 1 VwVG NRW.
[31] § 59 VwVG NRW.
[32] § 60 VwVG NRW.
[33] § 62 VwVG NRW.
[34] § 63 Abs. 1 S. 4 VwVG NRW.
[35] § 64 S. 2 VwVG NRW.
[36] § 65 VwVG NRW.
[37] Umkehrschluss: Wenn die Behörde ohne Vorliegen eines Grund-VA vollstrecken darf, dann erst recht, wenn einer vorhanden ist.
[38] § 55 Abs. 2 VwVG NRW.
[39] § 63 Abs. 1 S. 4 VwVG NRW.
[40] § 64 S. 2 VwVG NRW.
[41] § 65 VwVG NRW.