Vorläufige Vollstreckbarkeit

Ergeht ein Urteil, so ist zu beachten, dass aus dem Urteil sowohl der Kläger als auch der Beklagte gegeneinander vollstrecken kann. So z.B. im Fall des § 92 Abs. 1 Alt. 2 ZPO (verhältnismäßige Teilung).

Dementsprechend ist bei der vorläufigen Vollstreckung zwingend zu beachten, dass Vollstreckungsansprüche beider Parteien zu prüfen sind.

Vollstreckbare Kosten könnten sein:

  • Anspruch aus der Hauptsache (+ Nebenansprüche wie etwa Verzugs-/Prozesszinsen)
  • Gerichtskosten1
  • Außergerichtliche Kosten (Rechtsanwaltsgebühren)2

Vorschriften für die vorläufige Vollstreckbarkeit sind in §§ 704 ff. ZPO geregelt. Als Hilfe dient folgende Grafik:

Vorläufige Vollstreckbarkeit

Im ersten Schritt ist zunächst zu erörtern, ob für die vorläufige Vollstreckbarkeit eine Sicherheitsleistung auf Seiten des Vollstreckungsgläubigers (kann sowohl Kläger als auch Beklagter sein) erforderlich ist. Dies bestimmt § 708 ZPO als quasi Weichensteller. Danach bestimmt sich der weitere „Weg“.

A. Wenn § 708 Nr. 4 – 11 ZPO einschlägig ist:

I. Schritt

Ist eines der Nummern einschlägig, so ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung auf Seiten des Vollstreckungsgläubigers erfolgen kann (Rechtsfolge des § 708 ZPO).

II. Schritt

Sodann ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO vorliegen. Ist dies der Fall (beachte: nur für die Fälle des § 708 Nr. 4 – 11 ZPO gem. § 711 S. 1 ZPO), steht dem Vollstreckungsschuldner die Abwendungsbefugnis zu. Im Falle einer Geldforderung hier eine Beispielsformulierung (Normenkette: § 711 S. 2 ZPO i.V.m. § 709 S. 2 ZPO):

III. Schritt

Weiterhin an die Ausnahme nach § 713 ZPO zu denken. Wenn die Voraussetzungen für ein Rechtsmittel (z.B. Berufung, § 511 ZPO) nicht vorliegen, so sind §§ 711, 712 ZPO nicht anwendbar. Eine Abwendungsbefugnis scheidet demnach aus.

B. Wenn § 708 ZPO nicht einschlägig ist:

I. Schritt

Auch hier ist zunächst § 708 ZPO zu prüfen. Ist § 708 ZPO nicht einschlägig, geht es mit dem II. Schritt weiter.

II. Schritt

Ist § 708 ZPO nicht einschlägig, scheidet eine vorläufige Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung aus. Die Prüfung richtet sich dann nach § 709 ZPO. Handelt es sich um eine Geldforderung, ist § 709 S. 2 ZPO einschlägig.

C. Weitere Infos:

§ 708 ZPO ist die zentrale Vorschrift, sie dient als Weichensteller. Jeder vollstreckbare Anspruch muss demnach geprüft werden, ob der Anspruch ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckt werden kann. Je nachdem Fall und Ergebnis ändert sich der Tenor. Zu beachten ist aber immer, dass sowohl für Kläger und Beklagter geprüft werden muss, wenn es der Fall dies gebietet.

Unterliegt beispielsweise der Kläger, kann er nichts gegen den Beklagten vollstrecken. Eine Vollstreckungsprüfung wäre daher nicht richtig.

D. Literaturempfehlung:

Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Zivilrechtsklausur im Assesorexamen.


* Dieser Beitrag ist nicht abschließend und dient zur anfänglichen Orientierung/Lernhilfe.

1 – § 12 i.V.m. Nr. 1210 Anlage 1 GKG, richtet sich nach dem Streitwert (Anlage 2 im GKG).
2 – Z.B. § 13 i.V.m. Nr. 3100 Anlage 1 RVG (1,3-fache des Satzes, sog. Verfahrensgebühr) + § 13 i.V.m. Nr. 3104 Anlage 1 RVG (1,2-fache des Satzes, sog. Terminsgebühr), Höhe des Satzes aus Gebührentabelle (Anlage 2 im RVG), + Auslagenpauschale § 13 i.V.m. Nr. 7002 Anlage 1 RVG + Umsatzsteuer § 13 i.V.m. Nr. 7008 Anlage 1 RVG. Beachte: mit außergerichtlichen Kosten sind die Kosten eines Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren gemeint, nicht aber die sog. vorgerichtlichen Kosten; siehe dazu MDR 2021, 774.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.