Wiederaufgreifen des Verfahrens bei der Verpflichtungsklage
Sachverhalt:
Ein Bürger hat einen Verwaltungsakt (VA) bestandskräftig werden lassen und beantragt nun bei der Behörde unter Berufung auf die Wiederaufnahmegründe in § 51 VwVfG die Rücknahme oder Änderung des Verwaltungsakts. Wenn man diesen Sachverhalt näher unter die Lupe nimmt, wird deutlich, dass hier einerseits die Überprüfung eines Wiederaufnahmegrundes erfolgen muss (formellrechtliche Komponente) und schließlich muss die eigentliche Sache selbst überprüft werden (materiellrechtliche Komponente, was der Bürger verfolgt/begehrt).
Die Behörde hat in diesem Fall drei Möglichkeiten zu reagieren:
- Sie lehnt den Antrag auf Wiederaufnahme nach § 51 VwVfG ab.
- Sie nimmt das Verfahren wieder auf, lehnt aber das Begehren des Bürgers ab (negativer Zweitbescheid).
- Sie nimmt das Verfahren wieder auf und stimmt dem Begehren des Bürgers zu (positiver Zweitbescheid).
Je nachdem wie die Behörde entscheidet hängt der Rechtsschutz des Bürgers ab.
- Behörde lehnt den Antrag auf Wiederaufnahme nach § 51 VwVfG ab.
In diesem Fall ist es umstritten, ob der Bürger direkt eine Verpflichtungsklage erheben darf gerichtet auf den Erlass eines Aufhebungsbescheids des bestandskräftigen VA oder doch erst Verpflichtungsklage erheben muss mit dem Ziel, die Behörde zum Wiederaufgreifen (stellt einen VA dar) des Verfahrens nach § 51 VwVfG zu verpflichten.
Für ersteres spricht der Grundsatz der Verfahrensökonomie.[1] Dagegen (und daher auch für letztere Meinung) spricht, dass die erste Meinung zu weit ginge, da die Behörde in der Sache selbst noch keine Entscheidung getroffen habe und des deswegen die Gerichte erst ihre Kontrollkompetenzen verwenden darf, wenn die Entscheidung der Behörde zur Ablehnung des Begehrens des Bürgers geführt hat. D.h. in diesem Fall wird der Antrag des Bürgers nicht als Ganzes oder einheitlichen Akt gesehen, sondern Schritt für Schritt klar betrachtet.[2]
- Behörde nimmt das Verfahren wieder auf, lehnt aber das Begehren des Bürgers ab (negativer Zweitbescheid)
Hier muss innerhalb des sog. negativen Zweitbescheid differenziert werden:[3]
- Wird das beantrage Begehren erneut verweigert, so ist die Verpflichtungsklage einschlägig.
- Wird eine bestehende Beschwer bestätigt, so ist die Anfechtungsklage einschlägig.
- Behörde nimmt das Verfahren wieder auf und stimmt dem Begehren des Bürgers zu (positiver Zweitbescheid)
In dieser Konstellation hat der Bürger erreicht, was er verfolgt hat. Für diesen Erfolg ist es strengstens geboten Champagner zu verkosten. Allerdings nicht zu früh, denn freilich können Dritte gegen den positive Zweitbescheid Klage erheben (z.B. Baugenehmigung).
[1] BVerwG, DBL. 1982, 998, 999f.; BVerwG, NVwZ 1998, 861, 862; Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, 5. Auflage, 2014, Rn. 69.
[2] Gersdorf, Rn. 69.
[3] Supra.