Fortsetzungsfeststellungsklage (FFK)

A. Sachentscheidungsvoraussetzungen bzw. Zulässigkeit

  1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
    1. Aufdrängende Sonderzuweisung
    2. Generalklausel, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO
      1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
      2. Nichtverfassungsrechtlicher Art
      3. Keine abdrängende Sonderzuweisung
  2. Statthafte Klageart: Fortsetzungsfeststellungsklage
  3. Klagebefugnis, analog § 42 Abs. 2 VwGO
  4. Vorverfahren (oder Widerspruchsverfahren), analog §§ 68 ff. VwGO
  5. Frist, analog § 74 Abs. 1 VwGO
  6. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61 ff. VwGO
  7. Fortsetzungsfeststellungsinteresse

B. Klagehäufung und Beiladung (ggfs. Erläutern)

  1. Klagehäufung gem. § 44 VwGO
  2. Subjektive Klagehäufung gem. § 64 VwGO i.V.m. §§ 59 ff. ZPO
  3. Beiladung gem. § 65 VwGO

C. Begründetheit


A. Sachentscheidungsvoraussetzungen bzw. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

Für die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges haben wir einen separaten Beitrag geschrieben.

II. Statthafte Klageart: Fortsetzungsfeststellungsklage

Hat sich ein Verwaltungsakt erledigt, kann dieser nicht mehr mittels einer Anfechtungsklage angefochten werden. Als Rechtsschutzmittel kommt die Fortsetzungsfestellungsklage (FKK) gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Betracht. Ein Verwaltungsakt ist dann erledigt, wenn er keine weiteren Rechtswirkungen mehr entfalten kann und somit sein Beschwer entfallen ist.1 Als Erledigungsgründe kommen folgende in § 43 Abs. 2 VwVfG in Betracht:

  1. Rücknahme
  2. Widerruf
  3. Zeitablauf

Die Fortsetzungsfeststellungsklage kann in vier verschiedenen Konstellationen statthaft sein. Es ist daher besonders auf die Anfechtungs- bzw. Verpflichtungssituation und nach dem Maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung zu achten.

Die direkte Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht von der Erledigung nach Klageerhebung, allerdings vor Urteilsverkündung. Dafür sprechen:

  1. Systematische Auslegung: § 113 VwGO befindet sich im 10. Abschnitt, der sich mit dem Urteil eines Verwaltungsgerichtes befasst.
  2. Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO: „Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, […].“

Analoge Anwendungsbereiche des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO:

Anfechtungssituation:

  1. Erledigung nach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Regelfall).
  2. Erledigung vor Klageerhebung und vor Urteilsverkündung, analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Verpflichtungssituation:

  1. Erledigung nach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung, analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
  2. Erledigung vor Klageerhebung und vor Urteilsverkündung, doppelt analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Erledigung nach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung
Anfechtungssituation§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Regelfall)
Verpflichtungssituationanalog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
Erledigung vor Klageerhebung und vor Urteilsverkündung
Anfechtungssituationanalog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
Verpflichtungssituationdoppelt analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
III: Klagebefugnis, analog § 42 Abs. 2 VwGO

Die Fortsetzungsfestellungsklage ist die sog. Fortsetzung der Anfechtungsklage, daher muss der Kläger klagebefugt sein. § 42 Abs. 2 VwGO wird analog angewandt. Es gelten die allgemeinen Regeln, siehe Anfechtungsklage.

IV. Vorverfahren (oder Widerspruchsverfahren), analog §§ 68 ff. VwGO

Bei der Durchführung eines Vorverfahrens wird zwischen den einzelnen Fortsetzungsfeststellungsklagen unterschieden. Es ist nicht durchzuführen, wenn

  1. es sich um den Regelfall handelt, also in einer Anfechtungssituation bei Erledigung nach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung, und
  2. wenn das Vorverfahren unstatthaft ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO oder entbehrlich ist (siehe dazu: Entbehrlichkeit des Vorverfahrens).

Bei Erledigung nachdem der Verwaltungsakt bestandskräftig wurde indem die Widerspruchsfrist versäumt wurde gem. § 70 VwGO und tritt dann die Erledigung ein, ist die Durchführung eines Vorverfahrens trotzdem erforderlich. Denn durch die Fortsetzungsfeststellungsklage dürfen nicht die Voraussetzungen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage umgangen werden.

Bei Erledigung bevor der Verwaltungsakt (oder das Verpflichtungsbegehren) bestandskräftig wurde ist ein Vorverfahren nach h.M. unzulässig.

  • Bessere Rechtschutzmöglichkeit durch rechtskräftiges Urteil eines Gerichts (vgl. § 121 VwGO), im Gegensatz zur bloßen Feststellung der Rechtswidrigkeit durch eine Behörde.

Beachte: im Beamtenrecht ist stets ein Vorverfahren durchzuführen, unerheblich wann die Erledigung eintritt (innerhalb oder nach Widerspruchsfrist § 70 VwGO / Bestandskraft), §§ 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG (Landesbeamten), 126 Abs. 2 Satz 1 BBG (Bundesbeamten). Eine Ausnahme besteht bei Landesbeamten, sofern ein Landesgesetz ein Vorverfahren nicht vorsieht (z.B. § 110 Abs. 1 JustG NRW), § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG.

V.Frist, analog § 74 Abs. 1 VwGO

Erledigung nach Klageerhebung:

Tritt die Erledigung nach Klageerhebung ein, ist die Monatsfrist gem. analog § 74 Abs. 1 VwGO zu wahren.

Erledigung vor Klageerhebung:

Bei Erledigung vor Klageerhebung muss nach der Rechtsprechung keine Frist eingehalten werden. Denn der Sinn und Zweck einer Frist ist die Herbeiführung der Bestandskraft. Dies ist allerdings bei erledigten Verwaltungsakten (oder Verpflichtungsbegehren) nicht mehr möglich.2

Teile der Literatur sind jedoch für eine Klagefrist, da ansonsten dem Kläger unbegrenzter Rechtsschutz gewährt werden würde.3 Dagegen könnte man mit der Verwirkung gem. § 242 BGB iVm. § 58 Abs. 2 VwGO argumentieren, wenn der Kläger nach einem Jahr nicht Klage erhoben hat. Zudem wird ein Fortsetzungsfestellungsinteresse schwierig zu begründen sein.

VI. Beteilligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61 ff. VwGO

Beteiligtenfähigkeit

Zuerst muss festgestellt werden, dass der Kläger gem. § 78 VwGO den richtigen Klagegegner ausgewählt hat. In Nordrhein-Westfalen gilt das Rechtsträgerprinzip (vs. Behördenprinzip) gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.

Prozessfähigkeit

VII. Fortsetzungsfeststellungsinteresse

Gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 a.E. VwGO ist ein „berechtigtes Interesse“ iSv. einem Fortsetzungsfestellungsinteresse erforderlich.

Wichtige Fallgruppen:

  1. Konkrete Wiederholungsgefahr
  2. Rehabilitationsinteresse
  3. Präjudizität
  4. Schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung

1. Konkrete Wiederholungsgefahr

Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Behörde in absehbarer Zeit bei im Wesentlichen unveränderten rechtlichen und tatsächlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt bzw. eine gleichartige Entscheidung erneut erlassen wird.5

2. Rehabilitationsinteresse

Ein Rehabilitationsinteresse liegt vor, wenn die ursprünglichen Maßnahme eine diskriminierende Wirkung entfaltet.

3. Präjudizität

Präjudizielles Interesse liegt vor, wenn der Kläger sich auf einen Schadensersatz- oder Entschädigungsprozess vorbereiten möchte (vgl. § 121 VwGO).  Nach h.M. gilt dies allerdings nur bei Erledigung nach Klageerhebung. Nach dem Grundsatz der Prozessökonomie müsste der Kläger bei Erledigung vor Klageerhebung zu den ordentlichen Gerichten gehen.

4. Schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung

Umstritten ist, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nur bei schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigungen vorliegt. Mit Blick auf den Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich bei „Bagatellvorbehalt“ entnehmen, sodass jede Grundrechtsbeeinträchtigung das Fortsetzungsfestellungsinteresse bejaht.

B. Klagehäufung und Beiladung (ggfs. Erläutern)
  1. Klagehäufung gem. § 44 VwGO
    1. Verfolgung mehrer Klagebegehren zulässig, wenn
    2. diese sich gegen denselben Beklagten richten,
    3. im Zusammenhang stehen und
    4. dasselbe Gericht zuständig ist.
  2. Subjektive Klagehäufung gem. § 64 VwGO i.V.m. §§ 59 ff. ZPO
    1. Mehrere Kläger
    2. Ein Begehren
  3. Beiladung gem. § 65 VwGO
    1. Gem. § 63 Nr. 3 VwGO ist der Beigeladene Beteiligter am Verfahren. D.h. es muss für den Beigeladenen die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit (s. o.) nach den §§ 61 f. VwGO geprüft werden.
C. Begründetheit

Obersatz in einer Anfrechtungssituation: Die Fortsetzungsfestellungsklage ist begründet, soweit der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde, vgl. (analog) § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Obersatz in einer Verpflichtungssituation: Unterschied zwischen 1) Vornahmeurteil (Spruchreife liegt vor) und 2) Bescheidungsurteil (Spruchreife liegt nicht vor).

1) Die Fortsetzungsfestellungsklage ist begründet, soweit der Kläger einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hatte, vgl. analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (doppelt analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wenn Erledigung vor Klageerhebung).

2) Die Fortsetzungsfestellungsklage ist begründet, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde, vgl. analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (doppelt analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wenn Erledigung vor Klageerhebung).


1 – Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrengesetz, 18. Auflage 2017, § 43, Rn. 40ff.
2 – Vgl. BVerwGE 109, 203, 207.
3 – Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Auflage 2015, § 113, Rn. 128.
4 – Bei dir gelten andere Landesvorschriften? Teile sie uns in den Kommentaren mit, wir fügen sie dann hier in den Beitrag ein.
5 – BVerwG, NVwZ 1990, 360.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.